Wenn die Sonne langsam hinter den Klippen Siziliens versinkt, beginnt für die Wilderer die Jagd. Im Plemmirio-Meeresreservat, einem der artenreichsten und zugleich empfindlichsten Meeresgebiete Italiens, bedrohen sie den Lebensraum zahlreicher geschützter Arten. Besonders im Visier: der Braune Zackenbarsch und der Seeigel. Beide sind für das ökologische Gleichgewicht unverzichtbar – und auf dem Schwarzmarkt eine begehrte Delikatesse.
Die Wilderer haben es unter anderem auf Seeigel abgesehen
Die Methoden der Wilderer sind ebenso effizient wie zerstörerisch. Sie operieren meist küstennah, da die geschützten Gebiete des Plemmirio-Reservats in relativ geringer Wassertiefe liegen. Besonders in den schwer zugänglichen, felsigen Abschnitten der Küste, die sich nur zu Fuß oder mit kleinen Booten erreichen lassen, sind sie aktiv. Diese Bereiche bieten zahlreiche Versteckmöglichkeiten und sind weniger leicht zu überwachen, was sie für illegale Aktivitäten besonders attraktiv macht.
Zumeist bei Nacht tauchen die Wilderer mit starken Lampen ab, um ihre Beute aufzuspüren. Der Braune Zackenbarsch, ein langsam wachsender Raubfisch, ist besonders anfällig, weil er sich nur langsam vermehrt. Wird er aus dem Ökosystem gerissen, können sich Beutetiere ungehindert ausbreiten, was das empfindliche Gleichgewicht kippen lässt. Auch die Seeigel spielen eine zentrale Rolle: Sie halten Algenbestände in Schach. Werden sie massenhaft entnommen, überwuchern Algen die Unterwasserlandschaft und verdrängen andere Arten. Doch nicht nur die ökologischen Folgen sind dramatisch – gerade auch aus ethischer Sicht ist es selbstverständlich zu verurteilen, dass empfindungsfähige Lebewesen für den Profit getötet werden.
Die Wilderer treiben ihr Unwesen meist im Schutz der Dunkelheit
In diesem Kampf für den Schutz des Meeres steht die Organisation Sea Shepherd an vorderster Front. Seit 2014 führt sie offiziell und in enger Zusammenarbeit mit den Behörden die Operation Siracusa durch – eine Kampagne, die darauf abzielt, illegale Fischerei zu stoppen und die Schätze des Plemmirio-Meeresreservats zu bewahren. Und dieser Einsatz zeigt Wirkung: Seit Beginn der Operation ist die Zahl der Wilderer um über 80 Prozent zurückgegangen.
Um mehr darüber zu erfahren, habe ich mich mit Klaus Gaar verabredet. Er ist zweiundsechzig Jahre alt, Pflegefachkraft und seit Gründung vor elf Jahren im Vorstand von Sea Shepherd Schweiz. Klaus verwendet sämtliche Urlaube, um als Aktivist bei verschiedenen Projekten im Einsatz zu sein – darunter einmal im Jahr bei der Operation Siracusa. Auch wenn er mir keine genauen Details verraten darf, um den Undercover-Einsatz vor Ort nicht zu gefährden, macht er eines klar: „Das ist die anstrengendste Kampagne, die wir haben. Du bekommst tagelang kaum Schlaf, das unwegsame Gelände verlangt dir körperlich alles ab, aber wir lassen uns nicht aufhalten.“
Hier stellen die Aktivisten die Beute eines Wilderers sicher - mit freundlicher Genehmigung von Sea Shepherd Global
Mindestens zehn Freiwillige sind rund um die Uhr im Einsatz, Sommer wie Winter. Sie patrouillieren den knapp zwölf Kilometer langen, schwer zugänglichen Küstenabschnitt des Meeresreservats. Ausgerüstet mit bester Technik, darunter beispielsweise Highend-Nachtsichtgeräte, spüren sie die Wilderer auf, die sich so weder an Land, noch mit ihren hellen Lampen unter Wasser vor den Aktivisten verbergen können. Sobald diese einen Wilderer erwischen, rufen sie die Guardia Costiera, die dann übernimmt. Tagsüber werden die Zonen seitens der Behörden zusätzlich durch Kameras überwacht.
Die Struktur der Einsätze ist klar organisiert: Ein Teamleiter koordiniert die Aktivitäten vor Ort, es gibt feste Hierarchien. Diese klare Organisation ist notwendig, denn die Bedingungen sind anspruchsvoll. „Die Küste besteht aus rauem, felsigem Vulkangestein und ist an vielen Stellen nur schwer zugänglich“, erklärt Klaus. „Wir müssen jederzeit wachsam sein, weil es gerade in der Nacht sonst gefährlich werden kann.“
Auch Dronen kommen zum Einsatz, um die illegalen Aktivitäten aufzudecken - mit freundlicher Genehmigung von Sea Shepherd Global
Das Plemmirio-Reservat selbst ist in drei Zonen unterteilt. In Zone A, dem Herzstück des Schutzgebiets, sind jegliche Eingriffe in die Natur strengstens verboten. Zone B erlaubt begrenzte Freizeitaktivitäten wie Schwimmen oder Tauchen unter Auflagen. Zone C dient als Pufferzone mit moderaten Beschränkungen. Doch genau diese Abstufungen machen es Wilderern leicht, sich in die sensibleren Bereiche zu schleichen.
Der Braune Zackenbarsch erzielt in der Gastronomie Spitzenpreise (bis zu 150 Euro pro Kilogramm sind auf dem Schwarzmarkt keine Seltenheit!), weil sein festes Fleisch als schmackhafte Delikatesse gilt. Auch Seeigel sind in der mediterranen Küche aufgrund ihres als Luxusgut gehandelten Rogen in manchen Kreisen heiß begehrt. Das treibt die Nachfrage an – und bringt die Wilderer in Versuchung, sich ins geschützte Gebiet zu wagen. Trotz empfindlicher Bestrafung: Wer erwischt wird, muss mit hohen Bußgeldern und der Beschlagnahmung seiner Ausrüstung rechnen.
Der Braune Zackenbarsch erzielt in der Gastronomie Spitzenpreise
Neben der Operation Siracusa gibt es auch die Operation SISO. Diese 2018 gestartete Kampagne zielt darauf ab, das Tyrrhenische Meer, einschließlich der Gewässer um die Äolischen Inseln nördlich von Sizilien, vor illegaler, unregulierter und undokumentierter Fischerei zu schützen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entfernung illegaler Fischsammelelemente, die eine ernsthafte Bedrohung für Meeresschildkröten und andere Arten darstellen. Vom Schiff aus spürt Sea Shepherd also beispielsweise Treibnetze auf. Beide Kampagnen zeigen, dass engagierte Freiwillige einen messbaren Unterschied machen können.
Wer den Einsatz für den Schutz der Meere unterstützen möchte, kann dies am besten durch eine Spende an Sea Shepherd tun. Jeder Beitrag hilft, illegale Praktiken zu bekämpfen und die marinen Lebensräume zu bewahren.